Die feine Fügung der großen Form
- Text Uta Winterhager
- Fotos André MJ Nullens
Eine Schule sollte robust sein, um dem Alltag standzuhalten. Wenn sie aber wie die von he architectes geplante Erweiterung der Berufsschule Athénée Royal d’Ans schon durch ihre Größe maximale Aufmerksamkeit in der kleinen wallonischen Gemeinde erzeugt, gilt es, ihre Erscheinung sensibel mit dem Umfeld abzustimmen.
Ans-Alleurs ist eine kleine Gemeinde in der belgischen Provinz Wallonie. Im Süden, Richtung Lüttich, ist es städtischer, nach Norden hinaus ländlich und grün. Lässt man das Gewerbegebiet an der Autobahn hinter sich, ändert sich der Maßstab. Im Ortskern von Alleurs stehen die Häuschen noch dicht gedrängt. Egal welchen Alters haben die meisten von ihnen eine Fassade aus rotem Backstein, einige der älteren eine für die Region typische zinkverkleidete Brandwand. Außer der Kirche ist hier kaum etwas höher als zwei Geschosse, auch nicht dort, wo Wiesen und Gärten die neuere Bebauung auflockern. Recht idyllisch wäre das, wenn nicht ständig die startenden Flugzeuge des nahegelegenen Flughafens Lüttich gefährlich niedrig und mit ohrenbetäubendem Lärm über den kleinen Ort ziehen würden.
Direkt an der Durchfahrtstraße Rue de La Résistance gelegen, streckt der Neubau des Athénée Royal d’Ans seinen Kopf aus dem umgebenden Grün. Für die Berufsschule war es nur ein kleiner Umzug, denn sie konnte den in die Jahre gekommenen Bestand auf ihrem eigenen großzügigen Gelände erweitern. Wie in Belgien üblich, ist das Schulgelände zum Schutz der Schüler:innen eingezäunt und videoüberwacht, dennoch wünschte sich die Schule durch die Erweiterung mehr Sichtbarkeit. In dem 2013 ausgelobten Wettbewerb überzeugte das Lütticher Büro he architectes. Die Architekten Damien Henry und Bertrand Evrats hatten einen schmalen, hellgrau verklinkerten Baukörper entworfen, dessen markante Stirnseite mit einem großen außermittig platzierten Panoramafenster Sichtbarkeit in beide Richtungen versprach. Direkt neben dem auffälligen Kopfbau hat das Schulgelände an der Rue de La Résistance ein neues Haupttor. Effektiven Sichtschutz erzeugten die Architekten mit drei organisch modellierten, grün
bewachsenen Hügeln, für die sie den Aushub der Baugrube verwenden konnten.
Grafische Wirkung
Trotz des prägnanten Kopfes zeigt das Schulgebäude Bloc B seine Größe und Gestalt erst aus der Perspektive des Schulhofs. Zwei Teile, ein dreigeschossiger Hauptteil und ein eingeschossiger Annex, der wie eingeschoben scheint, fügen sich zu einem bewegten, aber ausgewogenen Ganzen. Der Backstein nimmt Bezug auf die Region, das helle Grau auf den Sichtbeton der bestehenden Schulgebäude. Die Fassade ist dort, wo sich im Hauptbaukörper Eingänge, Mehrzwecksaal und Mediathek befinden, verglast; im eingeschossigen Anbau, in dem Lehrwerkstätten für Schreinerei und Mechanik liegen, sowie auf der Rückseite des Hauptbaus vor den Sanitär- und Nebenräumen mit gewölbten, abwechselnd schwarzen und weißen Stahlblechelementen geschlossen. Sie wirken wie ein leicht geraffter Vorhang, während die Klinkerhülle die Obergeschosse präzise nachzeichnet, sie durch Varianz im Verlegemuster sogar noch überzeichnet. Die geschlossenen Flächen von der Attika bis zum Sturz durchlaufen über dem Erdgeschoss flächig im Läuferverbund, die Gebäudekanten, die schmalen Mauerwerkspfeiler zwischen den Fenstern und die Stirnseite sind davon abweichend im Stapelverband verlegt.
Zur Umsetzung des Mauerwerks und Berechnung der erforderlichen Bewehrungen wurde das ausführende Bauunternehmen von Röben beraten. Für einen zügigen und kostengünstigen Baufortschritt kamen vorgefertigte Stürze, Fensterbänke und Mauerwerksabdeckungen von Röben zum Einsatz. Handwerklich besonders sauber musste das konventionelle Stapelverband- Mauerwerk der Stirnseite ausgeführt werden, da dort die Position jedes einzelnen Klinkers vorab mit Kreideschnur auf der Dämmung markiert wurde. Die dunklen Fugen verleihen diesen Details eine subtile grafische Wirkung. Der Haupteingang von Bloc B, der gleichzeitig auch Durchgang zwischen dem asphaltierten Schulhof und dem weitläufigen grünen Schulgelände ist, liegt in der Gebäudemitte, deutlich gekennzeichnet mit einem weißen Vordach aus gekantetem Stahlblech.
Robustes Haus
Wunsch der Auftraggeber:innen und Mission der Architekt:innen war es, ein robustes Haus zu bauen, das einfach zu pflegen ist, aber dennoch eine angemessen wertige Erscheinung hat. Der Stahlbetonskelettbau zeigt seine Materialität in den beiden offenen Treppenhäusern, die mit doppelgeschosshohen Fenstern eine besondere Raumwirkung haben und das Geschehen vor beziehungsweise hinter dem Gebäude wirkungsvoll rahmen. Die besonderen Positionen mit dem Panoramafenster erhielten der Zeichensaal und der Raum für angewandte Bürotechnik. Auch in der Schule ist nichts kaschiert. Holzwolleleichtbauplatten sorgen für den notwendigen Schallschutz an Wänden und Decken, das lindgrüne Linoleum auf dem Boden für dezente Farbe. Interessant ist, dass die im Inneren in den Werkstätten und Fluren verbauten, großformatigen Beton-Mauersteine eine deutlich rauere, handwerklich einfachere Oberfläche haben als das an der Fassade verwendete, feine Klinkerwerk. Doch die Zweckmäßigkeit fügt sich auch durch die schwarzen Tür- und Glaselemente, Zargen und Fußleisten zu einem harmonischen Gesamtbild, dem auch die tägliche Nutzung nichts nehmen wird.