Projektreportage

École Rue Antoine Meyer, Luxemburg

architecture & urbanisme 21, Luxemburg

Kubatur für das Quartier

  • Text Ursula Baus
  • Fotos André MJ Nullens

Die Erweiterung der École Rue Antoine Meyer in Luxemburg entwarf das dort ansässige Büro architecture & urbanisme 21. Der Klinkerneubau vervollständigt das Schulquartier stadträumlich.

Bis 1920 war Hollerich ein selbständiger Ort, heute ist es ein Stadtteil südwestlich des Zentrums der Stadt Luxemburg. Luxemburg ist eines der reichsten Länder der Welt, hier wird gediegen gewohnt, außerdem verfügt der Stadtteil über ein gutes Schulangebot. In der Rue Antoine Meyer etwa können Kinder unter einem Dach die Kinderkrippe, Grund- und Mittelschule besuchen, bis die Entscheidung ansteht, ein Gymnasium zu besuchen. Im Luxemburger Schulsystem fällt sie im Alter von etwa zehn Jahren.

Das Schulgebäude war zu klein geworden, Zwischenlösungen mit Containern stellten niemanden zufrieden. Der gründerzeitliche Altbau entspricht mit drei hohen Giebeln, unter denen Zugänge mit Pfeilern und Vordächern betont sind und den Bau rhythmisieren, dem Formenkanon seiner Entstehungszeit. Mit dem Material, Naturstein und Putz, sowie den Farben, Ocker und Beige, reiht er sich unspektakulär ins Quartier ein. Der neue, an der Straße zwei-, zum abfallenden Gelände hin dreigeschossige Erweiterungsbau schließt im Nordwesten mit einer zweigeschossigen Brücke an und tritt als schmuckloser Monolith auf. Der dezente Farbwechsel des Ziegels verleiht der Fassade Lebendigkeit und Tiefe.

Einheitlicher Ziegel

Die Ziegelhülle des Neubaus fällt im Straßenbild und an der Straßenkreuzung zur Rue Raymond Poincaré auch durch die dunkle Ziegelfarbe und im Vergleich zum Altbau frei gegliederte Fassadenfläche auf. Die Modulierung des Baukörpers sollte, so die Architekt:innen von architecture & urbanisme 21, der Funktionalität der Schule Ausdruck verleihen, und nicht etwa eine ornamental zu verstehende Ikonografie bilden. Tatsächlich vervollständigt der im Grundriss leicht schiefwinklige Baukörper das Schulquartier stadträumlich wirksam: Im tiefer gelegenen, schuleigenen Außenraum entstand ein Freiraum für die Kinderkrippe. Auf der anderen Gebäudeseite, zum Straßenraum hin, wurde mit dem Baukörper ein einladender, überdachter Empfangsbereich definiert.

Das neue Hauptgebäude der Schule befindet sich an einer Straßenkreuzung und interagiert mit dieser.

Für den Baukörper erfüllt die Ziegelhülle – hinterlüftetes, zweischaliges Mauerwerk mit Handstrichziegel und Mineralwolle-Dämmung – die Aufgabe, den monolithischen Baukörper vom Boden bis zum Dach aus einem Guss erscheinen zu lassen. Gebaut wurde mit Formsteinen und von Röben vorgefertigten Läuferstürzen, um an den schiefwinkligen Ecken passgenau arbeiten zu können. Vorgefertigt waren auch die Mauerwerksabdeckungen im Bereich der ausladenden Außenrampen, mit denen Barrierefreiheit geschaffen wurde. Dunkel verfugt, verleiht die Fassade dem Baukörper eine Massivität, die im Quartier einzigartig ist.

Farben des Quartiers

Fenster, die in unterschiedlichen Höhen, Größen und Farben außen mit Stahl, innen mit Holzrahmen ausgestattet sind, folgen innenräumlicher Notwendigkeit. Mal hochkant, mal als horizontales Fensterband, mal als raumhohe Verglasung lassen sie viel Tageslicht in die Schule, und im Foyer kommt ein Oberlicht dazu. Der Mehrzweckraum im auskragenden Baukörper an der Straßenecke, das Foyer, die Flure und Lern- beziehungsweise Aufenthaltsräume werden dadurch außen wiedererkennbar.


Mit dem rustikal wirkenden Klinker Röben WIESMOOR kohle-bunt setzt der Neubau einen stadträumlichen Akzent.

Diese Tageslichtfülle dominiert in den hellen, gut proportionierten Innenräumen, die atmosphärisch mit Kautschukboden in blassen, warmen gelb- und braunrötlichen Pastelltönen die Farben des Quartiers aufnehmen. In den Fluren ist auch die Einrichtung von den Architekt:innen entwickelt worden, die hier eingebauten Garderoben und kleinen Sitzbänke sind tadellos. Das sonstige Mobiliar allerdings ist übliche Handelsware – weniger ansprechend, aber es kann der Atmosphäre wenigstens nichts anhaben.


Das großzügig angelegte neue Entree trägt zur städtebaulichen Quartiersbildung bei.

Die Schulerweiterung kam nicht in einem Wettbewerbsverfahren, sondern als Direktauftrag zustande. Mit der Inbetriebnahme endete für die Architekt:innen die Gestaltungsaufgabe. Die Treppenwände im Foyer sind inzwischen schon bemalt, was für manches Architektenauge vielleicht weder zum Haus passt noch als künstlerische Bereicherung auffällt. Von Kindern Gemaltes und Gebasteltes temporär aufzuhängen, gehört aber laut Ivore Schiltz, Inhaber von architecture & urbanisme 21, zum Krippen- und Schulbetrieb dazu: „Architektur ist vor allem eine soziale und ethische Aufgabe. Die Gebäude sind nach menschlichem
Maßstab konzipiert, rational, funktional, ästhetisch. Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, ist es für uns Architekt:innen an der Zeit, uns zurückzuziehen.“ So ist es an der Schulleitung, den Bau zu respektieren, zu bewahren und zu pflegen. Das darf man erwarten, wenn Kinder pädagogisch begleitet in eine Gesellschaft hineinwachsen sollen, der Baukultur ein Anliegen ist.

architecture & urbanisme 21
architecture & urbanisme 21 konzentriert sich auf Projekte mit modernen Technologien und großer Freiheit bei der Wahl von Formen und Materialien. Das Team besteht aus erfahrenen Architekt:innen, Bauzeichner:innen und Administrator: innen unterschiedlicher Herkünfte und Kulturen, welche die Stärke und Vielfältigkeit des Büros ausmachen. Gemeinsam entwickeln sie einfache, fachgerechte und nachhaltige Lösungen nach höchsten energetischen Standards.
Seit 2013 ist das Büro als „Passivhaus-Planer“ zertifiziert.
www.au21.lu

Weitere Beiträge