INTERVIEW

Im Gespräch mit Kelly Hendriks, B-ILD Architects

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So einfach wie möglich

  • Interview: Marie Bruun Yde
  • Fotos: Olmo Peeters

Wozu Besonderheit, wenn man Standards hat? B-ILD Architects reduzieren die bauliche Komplexität, um dabei Flexibilität und Nachhaltigkeit zu erreichen. Inhaberin Kelly Hendriks sieht die Standardisierung als Mittel zur Langlebigkeit, zum Anpassungsspielraum und zur Quadratmetermaximierung.

Die PSBO ist eine Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Wie hat sich dies auf die Gestaltung des Projekts ausgewirkt?

Die Schule funktioniert anders als normale Schulen und brauchte deshalb einen anderen Aufbau. Die Kinder benötigen eine ruhige und geschützte Umgebung. Das heißt, wir mussten Störfaktoren möglichst geringhalten, damit sie sich besser konzentrieren können. Daher wurden die körperlichen Aktivitäten so organisiert, dass sie im Herzen des Gebäudes stattfinden: Spiel, Sport und Verkehrswege. Außerdem werden die Kinder nicht von den Eltern zur Schule gebracht, sondern sie kommen aus der ganzen Region mit dem Bus. Wir haben also kein Schultor, an dem die Eltern warten.

Kelly Hendriks. Foto: Sepideh Farvardin

Was war Ihr Konzept von Offenheit versus Geschlossenheit gegenüber der Umgebung?

Maximale Transparenz wäre für die Schüler:innen störend. Die Öffnung der Klassenzimmer zum Flur war das Äußerste, was wir realisieren konnten. Die Klassenzimmer haben zwar auch Fenster nach außen, aber da die Schule von einem grünen Puffer umgeben ist, sieht man durch diese Fenster keine Menschen vorbeigehen.

Schnitt

War es schwierig, neben Einfamilienhäusern ein öffentliches Programm zu realisieren?

Das Zentrum von Tienen ist dicht besiedelt, und das Grundstück für das Programm ist klein. Das Gelände war jahrelang eine Grünbrache, umgeben von Schulen und Wohnhäuser. Die schöne Aussicht aus den Wohnungen durch eine weitere Schule zu verbauen, kam sicher nicht so gut an. Also haben wir das Gebäude so kompakt wie möglich angelegt, uns bemüht, den Lärm im Inneren zu halten und die Pufferzone eingerichtet. So haben wir versucht, Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Ich glaube, dass es besser ist, bestehende bebaute Gebiete nachzuverdichten als außerhalb der Stadtzentren zu bauen.

Der Kontext ist eher heterogen.

Wir mögen Projekte mit einem nicht zu malerischen Kontext. Schöne Berghänge sind für mich nicht attraktiv. Vielmehr mag ich komplexe, unordentliche, schmutzige oder eigenartige Orte. Wir haben nicht den romantischen Ansatz, vorhandene Materialien zu analysieren, um eine Atmosphäre einzufangen. Unser Ziel ist es nicht, den Kontext zu verändern, sondern ihn auf andere Weise zu beleben.

Die Vollverglasung des oberen Bereichs der Sporthalle bindet die Verwaltung und die Kantine visuell ein.

Sie arbeiten mit Standardisierung als Paradigma: Reduktion von Materialien, Details und Bautechniken. Das hat eindeutige finanzielle Vorteile. Doch was bedeutet das in funktioneller und ästhetischer Hinsicht?

Wir realisieren hauptsächlich Projekte, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, also versuchen wir, das Ganze einfach zu halten. Anstatt komplizierte Details zu erfinden und verschiedene teure Materialien einzusetzen, ist es meiner Meinung nach unsere Aufgabe, so viel hochwertigen Raum wie möglich zu bieten. Unsere Fenster sind immer im gleichen Rhythmus angeordnet, wir versuchen, Materialien aus dem
Katalog zu verwenden und wir suchen immer nach den besten Standardelementen, die auf dem Markt erhältlich sind. Anstatt alles selbst zu entwerfen, versuchen wir, Geld zu sparen und dafür lieber ein zusätzliches Klassenzimmer zu schaffen. Wir ändern nicht immer alles, sondern bemühen uns, viel über ein Material zu lernen, bevor wir andere Materialien verwenden. Wir versuchen, maximal ein neues Material pro Projekt einzuführen, weil wir gern wissen, was wir tun.

Ermöglicht Einfachheit auch mehr Flexibilität?

Ich denke, es ist wichtig, dass ein Schulgebäude nicht zu spezifisch ist. Die Funktion, das Programm, die Nutzergruppe, alles das ändert sich schnell. Was das Budget betrifft, so war es wichtig, ein Bausystem zu finden, das Änderungen wirtschaftlich möglich macht. Um mögliche Erweiterungen und Umbauten zu erleichtern, haben wir alle Stockwerke weitgehend im gleichen Rhythmus gehalten und alle Innenwände nichttragend ausgeführt, während die Außenwände so konstruiert sind, dass man darauf weiterbauen kann. Außerdem haben wir das Gebäude technisch so geplant, dass ein Funktionswechsel je nach verändertem Bedarf leicht möglich ist – wenn beispielsweise ein Klassenzimmer in eine Turnhalle umgewandelt werden soll.

Die Terrasse fungiert als öffentlicher Raum, der die verschiedenen Funktionen der Schule miteinander verbindet.

Eine Planung mit Blick auf Wandlungsfähigkeit ist auch eine Möglichkeit, die architektonische Praxis als einen fortlaufenden kollektiven Prozess zu betrachten. Verstehen Sie Architektur als eine Form von Handlungskompetenz?

Ein wichtiger Aspekt ist die soziale Nachhaltigkeit. Wir verbringen in der Anfangsphase viel Zeit mit allen Beteiligten, um herauszufinden, ob es auch andere potenzielle Nutzerguppen gibt. Dementsprechend untersuchen wir, was im Inneren des Gebäudes passieren kann, um zu sehen, ob wir noch zusätzliche Aktivitäten einplanen können. Auf diese Weise können wir am Ende vielleicht mehr Nutzungen in ein Gebäude einbeziehen als ursprünglich angedacht, oder ein Gebäude für die nachbarschaftliche
Nutzung öffnen. Die PSBO war ein besonderer Fall, da es sich um eine Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen handelt und sich das öffentliche Programm, das die Zahl der Kinder und die Lehrmethoden für diese Kinder bestimmt, ständig ändert. Es wurde eine flexible Maschine benötigt.

Sie verwenden bei Ihren Projekten häufig Röben-Ziegel. Was gefällt Ihnen an diesen Steinen?

Es handelt sich um ein einfach zu verarbeitendes Material. Die Ziegel können sowohl für die Grundstruktur des Gebäudes als auch für die Fassade verwendet werden. In Belgien sind Ziegelsteine neutral, denn bei uns gibt es sie überall, sie fallen nicht weiter auf. Der Ziegel ist ein attraktives Bauelement mit einer schönen Größe. Er ist klein, man kann ihn anfassen, man verbaut ihn mit den Händen. Man sieht, was man bekommt. Und er ist leicht zu reinigen.

Welche Überlegungen haben Sie zum Thema Umweltverträglichkeit bei dem Projekt angestellt?

Es erfordert einen langen Prozess, alle Aspekte zu verstehen, die ein Material nachhaltig machen oder nicht. Wir halten es für wichtiger, einen Plan oder ein Raster zu erstellen, das wir langfristig nutzen können, als uns auf die Nachhaltigkeit des Produkts selbst zu konzentrieren. Unser Schwerpunkt liegt auf einem flexiblen Bauwerk, das mehr als ein Menschenleben lang halten kann. Das ist ein weiterer Grund, warum wir an Ziegeln festhalten, weil sie in der Zukunft leicht angepasst werden können. Ich denke, wir müssen die Diskussion dahingehend ändern, dass nicht nur nachhaltige Materialien, sondern auch auf lange Sicht angelegte Pläne und Entwürfe wichtig sind.

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